VDI - Theodor v. Cramer Klett Preis 2022

Cramer-Klett-Preis des VDI-Bezirksvereins Bayern Nordost für die gelungene Umsetzung des Elektro-Bus-Verkehrs bei der VAG Nürnberg

Der Fahrzeugtechnik-Ingenieur (M. Eng.) Andreas Laumen ist der Träger des Cramer-Klett-Preises 2022. Die Auszeichnung, alle zwei Jahre vom VDI-Bezirksverein Bayern Nord-Ost im Verein Deutscher Ingenieure VDI e.V. (VDI-BVBNO) ausgelobt, ist verbunden mit einem Preisgeld von 3000 Euro. Die Urkunde wurde Laumen, Projektleiter für die Einführung des Elektrobus-Betriebs der Verkehrs-Aktiengesellschaft VAG Nürnberg, passend in den Räumen der MAN Truck & Bus AG überreicht: Der Nürnberger Theodor von Cramer-Klett hat die Maschinenbau AG gegründet, aus der später die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg entstand, die heutige Motoren- und Fahrzeugschmiede MAN. Die Laudatio hielt Dr. Gabriele Jahn, Leiterin des Zentralbereichs Personal der Städtischen Werke Nürnberg (StWN) und damit auch der VAG: Sie unterstrich die Bedeutung des „E-Bus-to-Grid“-Projekts für die Zukunftsfähigkeit des Nürnberger ÖPNV.

Preis für einen Ingenieur mit vielen Kenntnissen

Dass sich der Preisträger mit E-Bussen identifiziert, konnten die an der Preisverleihung Teilnehmenden selbst erfahren, im wahrsten Wortsinn: Andreas Laumen chauffierte sie persönlich im MAN-Dreiachs-Niederflur-Elektro-Gelenkbus vom Eingangstor bis zum Veranstaltungsgebäude auf dem Werksgelände im Süden Nürnbergs.

Matthias Kissmer, der Vorsitzende des VDI-BVBNO, stellte klar, dass der seit 2002 verliehene Cramer-Klett-Preis „dazu dient, die Arbeit eines einzelnen Ingenieurs publikumswirksam in den öffentlichen Raum zu stellen. Und das alles fügt sich diesmal hier auf diesem Gelände wunderbar zusammen: Die Projektumsetzung, der VAG-E-Bus von MAN und der nach dem Gründer Cramer-Klett benannte Preis unseres VDI-Bezirksvereins. Von Ingenieuren vorangetriebene Kleinigkeiten werden häufig nicht so wahrgenommen. Aber genau darauf beruht der Wohlstand in Deutschland“, hob Kissmer die Abhängigkeit unseres Landes von technischen Entwicklungen hervor, gerade im Angesicht von Klimawandel und Ukrainekrieg.

Erhebliche Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der VAG

Doch so klein ist der Anteil nicht, den Preisträger Laumen für die Verkehrs- und damit die Energiewende in Nürnberg, ja gar in Deutschland geleistet hat: Das machte Dr. Gabriele Jahn klar, die Leiterin des Zentralbereichs Personal der Städtischen Werke Nürnberg (StWN) und damit auch der VAG. In ihrer Laudatio zog Jahn Parallelen zwischen dem jungen Fahrzeugtechnik-Ingenieur und MAN-Urvater Cramer-Klett: Jener habe Mitte des 19. Jahrhunderts die Fähigkeit besessen, Teams zusammenzustellen und gemeinsam mit anderen die Eisenbahn in Bayern voranzutreiben. Laumen wiederum habe „schon im Rahmen Ihres Praktikums bei uns die Kolleg:innen von der Machbarkeit des E-Bus-Systems überzeugt, mit fachlicher Kompetenz und Leidenschaft“. Und später, als Projektleiter, „haben Sie von der Akquisition über den Förderantrag und über die Busport-Baustelle bis zur Fahrzeugbeschaffung alles organisiert. Sie haben an dem Projekt einen Wahnsinnsanteil. Dass das gelungen ist, ist Ihr Verdienst. Sie sind für die VAG jemand, der die Zukunft gestaltet“, lobte die Personalchefin den Preisträger. Und sie schob nach: „Damit wird die Bedeutung des Ingenieurberufs für alle sichtbar in der Gesellschaft.“

Seit 2017 bei der VAG und am Projekt

Andreas Laumen selbst hatte zuvor besagtes Projekt „eBus to Grid“ den Gästen präsentiert. Die Elektrobus-Strategie sei „aus VAG-Eigeninitiative ohne politischen Druck entstanden. Wir wollten technologisch ganz vorne dabei zu sein, um Abgas und Emissionen im städtischen Bereich zu minimieren“, erinnerte er an seinen Start bei der VAG im Jahre 2017.

Im ersten Schritt waren die Kurspläne durchforstet worden. Dabei kam heraus: Nur fünf Prozent der Busse müssen mehr als 300 km pro Einsatztag zurücklegen, „diese Routen braucht man möglicherweise gar nicht mit E-Bussen zu fahren“. Aber jene 75 Prozent der Tagestouren unter 200 km, rund die Hälfte gar nur unter 100 km seien mit den schon heute am Markt verfügbaren E-Fahrzeugen zu absolvieren: Das stand am Ende einer gemeinsam mit der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführten Simulation über Ladeleistung, Kurse, Ladezeiten für insgesamt 200 E-Busse.

Deshalb auch die Entscheidung für eine „Depotlösung fürs Laden. Wir wollten nicht an Haltestellen, sondern mit 150 Kilowatt-(kW-)Schnellladern laden.“ Was bei Batterien mit 640 kWh eine Ladezeit von gut vier Stunden bedeutet. Dennoch sollte nur eine Ladesäule für zwei nacheinander zu versorgende Busse reichen.

Der nächste Schritt: „Ein Projektantrag, den wir gemeinsam mit der N-ERGIE AG (der Energieversorger-Schwester der VAG, d.Red.) gestellt haben.“ Darin ging es um drei wesentliche Teile: Den Aufbau des E-Bus-Betriebs, der Infrastruktur, der Werkstattprozesse. Dann die baulichen Maßnahmen für den E-Bus-Port zum Abstellen und Laden. Und nicht zuletzt um die Software zur energiewirtschaftlichen Optimierung der Öko-Ladestrombeschaffung.

Bis 2030  90 Prozent E-Busse in Nürnberg geplant

Zunächst kam im Projekt ab 2018 der erste E-Bus, 2020 nochmal sechs, danach ein Förderbescheid für 85 weitere E-Busse Beide Ausschreibungen gewann MAN. Inzwischen sind bereits 39 E-Busse im Einsatz, der gültige Förderbescheid lasse weitere 46 zu, so Laumen. Sein Ziel: „2030 sollen 90 Prozent der VAG-Busse elektrifiziert sein.“ Parallel zur Beschaffung lief der Bau des offenen E-Bus-Ports mit 39 Busplätzen: „2019 haben wir mit der Planung begonnen, im September 2021 war er fertig.“ Kosten: 8 Mio. Euro. Auf dem Gründach immerhin 330 kWp Photovoltaik. Und ein zweiter E-Bus-Port mit 40 Stellplätzen sei schon in Planung.

Inzwischen laufe die Strombeschaffung am Day-Ahead-Markt, man versuche eine „atypische Netznutzung, um Leistungsentgelt und Hochlast auf ein Minimum zu reduzieren. Die Königsdisziplin ist der Intraday-Handel am Spotmarkt“, berichtete Ingenieur Laumen – und auch über die Anbindung der Beschaffung an das Stadtwerkekonzern-eigene virtuelle Kraftwerk.

Energiewirtschaftliche Optimierung der Stromladung

Bei der von Siemens entwickelten, energiewirtschaftlich optimierten Strom-Lade-Software habe „oberste Priorität: Die Fahrzeuge müssen fahren können. Hier sind wir vorne“, wagte Laumen einen Vergleich mit der Stadtwerke-Konkurrenz.

Dass die Erledigung seiner Projektleiter-Aufgabe die Auszeichnung mit der Cramer-Klett-Preis wert sei, das habe ihn aber „überrascht, die Freude war umso schöner“, gab sich der Ausgezeichnete bei der Übergabe bescheiden.  

Alternative Mobilität sichert Zukunft des MAN-Standorts

Auch Dr. Ingo Essel, der Werkleiter des Nürnberger MAN-Leitwerks für alternative und konventionelle Antriebstechnologien, konnte die Freude über die Auszeichnung für den VAG-Ingenieur nicht verbergen. Denn noch werden dort vor allem Dieselmotoren für MAN-Laster, Neoplan-Busse und Claas-Traktoren sowie für Schiffe hergestellt. „Aber 2019 sind wir in der Entwicklung auf der E-Achse angekommen. Die ist extrem gewachsen und wird immer wichtiger.“ Denn zwar lege man sich nicht auf eine Alternativ-Antriebstechnologie für Nutzfahrzeuge fest, entwickle ebenso Wasserstoff-Verbrenner- wie Brennstoffzellen-Antriebe. „Doch der Fokus liegt nicht nur wegen der Außenwirkung auf batterie-elektrisch, sondern auch, weil der Wirkungsgrad besser ist.“

Ein E-Mobil-Technikum für Prototypen gebe es bereits am Standort, ab 2024 wolle MAN E-Lkw liefern, und mit der entstehenden Batterie-Serienfertigung – 100000 Akkus sollen hier ab 2029 jährlich hergestellt werden – „gehen wir einen wichtigen weiteren Transformations-Schritt“, so der MAN-Werkleiter. „Im Transportwesen sind die Standards im Wandel, das ist auch notwendig. Wir wollen nicht mitschwimmen, sondern die Transformation aktiv gestalten. Gemeinsam mit der Belegschaft“, versprach Ingo Essel.

Wie und wo dieser Wandel genau passieren soll, das konnten die Gäste im Anschluss an die Feierstunde bei einer Besichtigung des riesigen Werksgeländes selbst erfahren – oder exakter: Erlaufen.

Heinz Wraneschitz